Wie soll unsere Stadt im Jahr 2030 aussehen? Darüber wird im kommenden Jahr in der Schweriner Kommunalpolitik intensiv diskutiert. Denn die Stadtvertretung hat in ihrer Dezember-Sitzung beschlossen, dass die Landeshauptstadt ihr Leitbild „Schwerin 2020“ für die nächsten zehn Jahre fortschreibt.
Die Vorbereitungen für ein innovatives Bürgerbeteiligungsverfahren sind jetzt angelaufen: „Zum Auftakt der Diskussion werden wir mit einem gelosten Bürgergremium wichtige Zukunfts-Fragen ergebnisoffen diskutieren. Auf dieser Basis wird die Stadtverwaltung einen Leitbild-Entwurf als Diskussionsgrundlage für die Kommunalpolitik formulieren“, beschreibt Oberbürgermeister Rico Badenschier das Vorgehen. Der Entwurf wird anschließend der Stadtvertretung vorgelegt, die auch das weitere Beteiligungsverfahren festlegen kann.
Für das geloste Bürgergremium wurden 200 wahlberechtigte Schwerinerinnen und Schweriner ab 16 Jahren nach dem Zufallsprinzip aus der Einwohnermeldedatei ermittelt. Alle 200 erhalten in den nächsten Tagen per Brief eine Einladung des Oberbürgermeisters, gemeinsam in einem ganztägigen Workshop über die Zukunft Schwerins zu reden. Die Teilnehme ist selbstverständlich freiwillig. Sollten sich mehr Schwerinerinnen und Schweriner zurückmelden als für das Bürgergremium benötigt werden, wird es eine zweite Losrunde geben.
Der Zukunfts-Workshop findet am 1. Februar 2020 im Demmlersaal des Rathauses statt. An mehreren moderierten Themen-Tischen soll dann diskutiert werden. Als Tischmoderatoren stehen u.a. die Dezernenten und der Oberbürgermeister bereit. Jeder Teilnehmer kann einmal an jedem Themen-Tisch Platz nehmen. Die Gruppen werden jeweils neu zusammengestellt. „Mir ist wichtig, dass in das neue Leitbild ein breites Meinungsbild der Schweriner Stadtgesellschaft einfließt und nicht nur die Verwaltung oder bestimmte Interessengruppen die Diskussion vorbestimmen“, so der Oberbürgermeister.
Hintergrund: Losverfahren stärkt die Demokratie
Wie kann eine Demokratie langfristig tragfähige Entscheidungen treffen, wenn Politiker ihr Handeln vor allem an kurzfristigen Wahlterminen ausrichten? Der belgische Historiker David Van Reybrouck zeigt in seinem Buch „Gegen Wahlen“ einen neuen Weg, der ein sehr altes demokratisches Prinzip aufgreift. Es wurde schon im antiken Athen praktiziert: Das Los. Auch in den blühenden italienischen Stadtstaaten der Renaissance wurden viele Ämter ausgelost. Das Losverfahren galt als demokratisch. Die Gründerväter der USA und der französischen Republik setzten dagegen ganz auf Wahlen. Arbeiter und Dienstboten ohne Besitz waren zu dieser Zeit noch nicht einmal wahlberechtigt. Deshalb konzentrierte sich der politische Kampf für mehr Demokratie im 19. Jahrhundert darauf, das allgemeine und gleiche Wahlrecht durchzusetzen – zunächst für Männer, dann für Frauen. Losverfahren gerieten darüber in Vergessenheit. Heute werden sie wieder erprobt, etwa in der Verfassungsreform zur Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe in Irland.